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Neue Chancen für Hotels auf dem Land

Einleitung:

Zweifelsohne war das Jahr 2020 für das Gastgewerbe katastrophal und brachte für Betreiber wie Eigentümer einen Geschäftseinbruch in einem bislang unvorstellbaren Ausmaß: Insgesamt brach die Übernachtungsnachfrage in den deutschen Beherbergungsbetrieben um 39% gegenüber Vorjahr ein[1]. Für die deutsche Hotellerie ist sogar mit Rückgängen von rd. 47% im Krisenjahr 2020 zu rechnen[2].

Interessant ist jedoch die Differenzierung nach Destinationen: Während vor Allem deutsche Metropolen mit einer sonst hohen geschäftlichen und internationalen Nachfrage – mit Einbußen bis zu 60% –  am stärksten von der Krise betroffen sind, konnten sich Betriebe in den heimischen Ferienregionen in der Zeit zwischen beiden Lockdowns wieder etwas erholen. So blieben – wie zu erwarten – in den deutschen beliebtesten Feriengebieten wie an der Ost- und Nordseeküste, am Bodensee, dem Allgäu oder in den Bayerische Alpen die Rückgänge unter 30% und waren etwas abgemilderter. Aber auch andere ländliche Regionen, die bislang nicht zu den TOP nationalen Reisezielen gehörten, wie beispielsweise das Fränkische Seenland, der Bayerische Wald, die Uckermark, der Spreewald oder das Lausitzer Seenland waren vergleichsweise krisenbeständiger. Manche Hotels konnten in der Sommersaison sogar höhere Belegungsquoten erzielen als im Vorjahr und dies – bedingt durch sehr kurzfristigen Buchungseingänge – kombiniert mit höheren Zimmerraten.

Wie verändert Corona das Reiseverhalten?

Aber wohin wird sich das Reiseverhalten entwickeln? Hat das Interesse an Urlaub im eigenen Land auch nachhaltig bestand oder ist es nur eine temporäre Erscheinung? Welchen Einfluss wird die aktuelle Pandemie nachhaltig auf das Reisen haben? Und wie können sich die hiesigen Betriebe darauf einstellen?

Noch ist die weitere Entwicklung der Pandemie zu unsicher, um seriöse Trends ableiten zu können. Dennoch lassen sich aus den bisher vorliegenden Experten-Meinungen, Analysen und Verbraucherumfragen neue Bedürfnisse und Wünsche erkennen, von denen einige gerade für ländliche Regionen von Interessen sei könnten:

  • Wunsch nach mehr Sicherheit: Reiseziele, die vergleichsweise schnell und vor Allem mit dem eigenen PKW erreichbar sind, dürften demnach weiterhin bevorzugt werden. Verkehrsmittel, bei denen viele Menschen zusammentreffen, dürften hingegen zumindest mittelfristig zurückhaltender genutzt werden. Auch bei der Wahl der Unterkunft könnte der Aspekt möglicher Kontaktreduzierungen auch zukünftig eine Rolle spielen. Bedeutender als bisher dürfte auch die medizinische Versorgung und in diesem Zusammenhang die sprachliche Verständigung am Urlaubsort sein. All diese beispielhaften Bedürfnisse nach mehr Sicherheit können gerade die heimische Übernachtungsnachfrage beflügeln.

Handlungsempfehlungen für ländliche Betriebe:

Großzügige Ferienwohnungen und –anlagen, aber auch kleine Betriebe mit einer geringen Zimmerkapazität entsprechen diesen Bedürfnissen. Eine Chance also für Bauernhöfe, Pensionen und kleinere Hotels, gezielt mit ihrem Platzangebot indoor wie outdoor und bestehenden Rückzugsmöglichkeiten zu werben.

  • Entdeckungsdrang versus Wunsch nach Vertrautheit: Vertraute Kulturkreise geben emotionale Sicherheit. Aber sorgen sie auch für ausreichend Überraschungs- und Entdeckungsmomente und können das „Fernweh“ der Reisenden stillen?

Handlungsempfehlungen für ländliche Betriebe:

Vor Allem hierbei sind touristische Regionen, Kommunen und auch Betriebe gefordert, originelle und dennoch regional-typische Konzepte umzusetzen. „Storytelling“ ist hier gefragt, das eine individuelle und regional- oder betriebstypische Geschichte erzählt und erlebbar macht. Themenunterkünfte wie beispielsweise die Floating Houses an den Lausitzer Seen, die Iglu-Camps, Übernachten im Weinfass, Schäferwagen oder Baumhaus können hierbei als Inspiration herangezogen werden. Aber auch „Outdoor-Unterkünfte“ wie das Bubble-Hotel, das Hotelzimmer unter freiem Himmel oder Übernachten im Strandkorb kreieren Alleinstellungmerkmale für einen Ferienort. Gleiches lässt sich in der Gastronomie und bei Tagungen umsetzen, wie folgende Beispiele zeigen: Dinner auf dem Floss, Restaurant-Hopping, Kulinarische Stadtführungen, GPS Picknick-Wanderungen… Den Ideen sind hier keine Grenzen gesetzt, wobei hierbei die Kooperation der lokalen Betriebe und touristischen Einrichtungen sowie die Umsetzung glaubhafter und erlebbarer Regionalität von hoher Bedeutung ist.

  • Entschleunigung, aber Intensivierung der Erlebnisse: Die durch den Lockdown erzwungene Vollbremsung des schnelllebigen Alltags hat bei vielen Menschen einen Sinneswandel eingeleitet: Abkehr vom Erlebnis-Konsum hin zu einem entschleunigendem Erleben und der Schärfung der Sinne. Eine Chance für die vielfältigen Naturlandschaften in Deutschland, sich zu profilieren.

Handlungsempfehlungen für ländliche Betriebe:

Auch hier sind originelle Ideen und die Zusammenarbeit der lokalen Akteure gefragt, um die lokalen natur- und Kulturlandschaften ganzheitlich zu einem Sinn-Erlebnis zu machen.  Auch hierzu finden sich bereits inspirierende Ideen wie z.B. angeleitete Programme zu Waldbaden, Yoga in der Natur, thematisierte Klang-Wanderwege. Aber auch auf dem hoteleigenen Gelände lassen sich die Sinne schärfen durch Klang-Erlebnisse, Bar-Fuß-Pfade oder grüne Rückzugsoasen.

  • Verschmelzung der Lebensbereiche: Durch Home-Office und Home-Schooling sind gerade in den letzten Monaten Lebensbereiche der Arbeit, Familie und Freizeit ineinander verschmolzen. Dank wachsender Digitalisierung könnte das Büro als ständiger, fester Arbeitsort für zahlreiche Beschäftige überflüssig werden. Dies ermöglicht das temporäre Arbeiten in einer anderen Umgebung sowie die Verbindung mit Ferienerlebnissen auch außerhalb der üblichen Ferienzeiten.

Handlungsempfehlungen für ländliche Betriebe:

In der Stadthotellerie bereits etablierte Co-Working Bereiche könnten daher zukünftig mögliche Alleinstellungsmerkmale für ländliche Betriebe werden. Grundvoraussetzung sind hierbei eine schnelle W-Lan-Anbindung und weitere Annehmlichkeiten, die üblicherweise ein Businesshotel bietet, wie u.a. ausreichend dimensionierte Arbeitsplätze im Zimmer und ein Business-Corner in den öffentlichen Bereichen. Auch die Durchführung von hybrid-Meetings könnte zukünftig eine Chance für den ländlichen Raum werden, müssen nicht mehr alle Teilnehmer zum Tagungsort reisen. Die Verkehrsgunst und erreichbar gerade auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln rückt damit in den Hintergrund, hingegen gewinnt ein kreatives Tagungsumfeld der anwesenden Teilnehmer an Bedeutung.

Fazit

Für Betriebe in den deutschen Ferienregionen können sich daher aus der aktuellen Krise Chancen ergeben, sich neu zu positionieren. Erfolgreich werden dabei die gastgewerblichen Unternehmen sein, die mit innovativen Konzepten, authentische regional- und/oder betriebstypische Geschichten erlebbar machen und den Gast – auch im eigenen Land – in eine andere Welt eintauchen lassen.

[1] Quelle: Statistisches Bundesamt, Februar 2021, Erhebungen über alle Betriebsarten der Beherbergung, > 9 Betten

[2] Basis Daten des Statistischen Bundesamtes kumuliert November 2020, Annahme für Dezember Rückgang 85% gegenüber Vorjahr